Bin ich groß oder klein, im Verhältnis wozu? Wir sehen: großes gibt es nur, weil es gleichzeitig kleines gibt. Hätten wir keinen Vergleich (Bezugobjekt) für die Bezeichnung groß, kämen wir nie auf die Idee, irgendetwas als groß zu bezeichnen. Ich bin groß im Vergleich zur Ameise oder zur Tochter und klein, verglichen mit einem Wolkenkratzer.
Wir schaffen Begriffe als Eigen•schaften und gleichzeitig durch das Wörtchen nicht oder die Vorsilbe 'un' ihr Gegenteil, müssen wir ja, da wir sonst keinen Bezug zum gerade geschaffenen Begriff herstellen können. Wir glauben an der Dinge Eigenschaften, in dem wir sie uns [zu]eigen schaffen, sie übernehmen, den gleichen Standpunkt vertreten, vom gleichen Standort urteilen.
groß | – | klein |
lang | – | kurz |
voll | – | leer |
hell | – | dunkel |
schwer | – | leicht |
schön | – | häßlich |
leidlich | – | unleidlich |
links | – | rechts, auch 'nicht links' |
oben | – | unten |
schuldig | – | unschuldig |
menschlich | – | unmenschlich, tierisch |
Körper | – | Seele, Geist, Nichtkörper |
Mensch | – | ein Mensch gegenüber, ein Unmensch, Nichtmensch, Affe, Tier |
Aus verschiedenen Blickwinkeln (Standorten) gesehen, ist groß klein (z. Bsp.: wenn wir die Erde statt als Bewohner aus einer fernen Galaxis betrachten wollen, oder im Vergleich zu anderen Planeten), lang kurz, voll leer (halbvolle Gläser sind zugleich halbleer; ein Glas voll Wasser ist luftleer) usw.
Da Begriffe, die mit 'un' oder der Vorsilbe 'Nicht-' beginnen, sprachlich langweilig sind, überlegten deren Schöpfer oft schöner klingende Worte, die uns aber nicht von ihrem Sinn, dem Ausdruck des Gegenteils, ablenken können.
Wenn wir Menschen uns betrachten, glauben wir, wir seien dick oder dünn, weiß oder schwarz, klug oder dumm, sportlich oder träge, geschickt oder ungeschickt. Was, meinen Sie, ist davon wirklich wahr? Sind nicht alle Begriffe von uns erschaffen worden? Selbst wenn die Menschheit meint: Sie seien klug, betrachten Sie sich aus einem anderen Blickwinkel, und diese "Tatsache" ist ihr Gegenteil. Von allen Begriffen, die wir über uns pflegen, bleibt aber auch gar nichts übrig, sehen wir sie von anderen Standpunkten aus.
Alle Urteile über uns sind nicht wahr, die Wahrheit über uns läßt auch gleichzeitig gegenteiliges Urteil zu.
Sind wir dann etwa nicht vorhanden, existieren wir gar nicht wirklich? Erscheinen wir nur als das, was wir über uns selbst begrifflich schaffen?
Warum reden wir von "meinem" Wald, "meinem" Holz, "meinem" Arm, "meinem" Bein, "meinem" Kopf, ja sogar von "meinem" Gehirn. Wenn alles von mir "meines ist" und zu mir gehört, was bin ich dann? Ich bin ja auch ohne Bein, ohne Arm, ohne Zahn, ohne Ohr. Bin ich mein Kopf, ist mein Kopf 'ich'? Trotzdem ich nicht ohne Kopf leben kann: der Kopf ist nicht 'ich', ist Nicht-Ich. Bin ich 'Mensch', ist mein eigener Kopf Unmensch.
Kamindenken Sie drüber?