Folgendes Szenario: Ein philosophisch interessierter Mann forscht in der Tiefe seines Geistes und gelangt dabei zu der Erkenntnis: unsere Erde muß die Form eines Tetraeders haben. Dies begründet er mit seines Geistes logischen Erwägungen (wir wollen nicht näher auf seine Gedankengänge eingehen). Er schreibt sein Wissen darüber nieder und, weil er ein charismatischer Mensch ist, gelingt es ihm, seine Erkenntnis unter das Volk zu bringen. Seine Lehre verbreitet sich schnell und schon bald geben auch seine Schüler überzeugt sein Wissen weiter. Es finden sogar regelmäßig spirituelle Versammlungen in extra errichteten tetraedrisch geformten Gebäuden statt, mit dem Ziel, die Ursachen seiner Erkenntnisgewinnung nachzuvollziehen und zu erleben. Einigen der Teilnehmer gelingt das ihrer Aussage nach sogar im Trance-Zustand. Jedenfalls wird es unumstößliche Tatsache, daß die Erde ein Tetraeder ist, auf welchen die 4 Weltreiche Umbrien, Oradien, Eposcha und Algamera je eine der vier Flächen bewohnen.
Nun passiert, daß nach vielen, vielen Jahren einer der Nachfolger unseres Philosophen eines Abends bei Betrachtung des Sonnenuntergangs an der Küste Umbriens bemerkt, daß sich am Horizont die Wasseroberfläche des Meeres wölbt, wie die Rundung eines Kreises. Er schließt daraus, daß sich der Begründer der Lehre wohl geirrt haben muß, denn die Erde kann wegen der gewölbten Erscheinung des Horizontes NIE ein Tetraeder sein, denn, wäre sie ein Tetraeder, wäre der Horizont gerade wie die Kante des Körpers. Aufgeregt beschließt er, der Welt nun von dessen Irrtum zu berichten, denn die Erde ist ja eine Scheibe.
Wie, glauben Sie, geht unsere Geschichte weiter?
Inzwischen gibt es schon viele Professoren und Gelehrte, deren Fähigkeiten in der Berechnung des Umfanges und Volumens des Erdtetraeders bestehen. Folgten sie den neuen Erkenntnissen an, gäben sie zu, daß auch sie sich bisher irrten.
Das wäre ja nicht so schlimm, sorgten diese Gelehrten in der Vergangenheit nicht dafür, daß jedermann die Wahrheit vom Tetraeder anerkennen mußte. Den Gelehrten wurde sogar eine Steuer zugestanden, die Tetraeder-Steuer, von der sie bisher sehr gut lebten. Eine Änderung der Lehre stieße ihre Autorität um. Sie müßten um ihre gesellschaftliche Stellung fürchten. Diese Nutznießer werden sich wehement gegen die neuen Erkenntnisse wehren und weiterhin nach Beweisen der alten Theorie suchen. Ja, sie werden sogar gewalttätig. Sie grenzen den Forscher gesellschaftlich aus, erklären ihn für geisteskrank, trachten ihm nach seinem Leben. Bei Androhung der Todesstrafe und der ewigen Verdammnis verbieten sie jedem Menschen, die herrschende Lehre vom Tetraeder anzuzweifeln.
Die Bevölkerung Umbriens sähe dabei nicht teilnahmslos zu. In dem Augenblick, da sie merkt, daß sie jahrelang gewaltsam betrogen wurde, ist sie offen für Kampagnien gegen das Establishment. Sie läßt sich nun leichter durch Gegenkräfte in Bewegung setzen, folgt neuen Führern.
Wir sehen: Ideen, Lehren, einmal in die Welt gesetzt, sind je nach Verbreitung sehr langlebig. Um sie baut sich jahrhundertelang die Gesellschaft. Neue Erkenntnisse, welche eine Lehre reformieren, korrigieren, gar als falsch entkräften könnten, brauchen bis zu ihrer Durchsetzung ebenfalls sehr lange. Wir reden hier wieder von Jahrhunderten.
Wer, meinen Sie, besorgt wohl die Verbreitung neuer Erkenntnisse, und wer ist wohl in der Lage, die sich ihnen in den Weg stellende Kräfte zu beseitigen?
Kamindenken Sie drüber?