Veröffentlichung des gleichnamigen Artikels aus der Zeitung "Der Urkunden-, Foto- und Datenfreund", Ausgabe Juni 2005, mit freundlicher Genehmigung des Verlages Papierschützer GmbH Breslack[1]:
Ferdinand Helm sah ihn im April 2005 in der Schule, bevor er versuchte, den Kindern ihre Bilder zu zermampfen. Alles vertilgt er: alte Fotos, alte Schulsachen, insbesondere Schulbücher, Schreibhefte, alte zensierte Klassenarbeiten, Zeugnisse und Urkunden. Ganze Kindheits- und Jugendfantasien, Poesiealben und Tagebücher frißt er. Je intimer und älter die Schriften, desto besser schmecken sie ihm.
"Lieber Ferdi! Du bist der erste, der das Ungetüm sah. Wann und wie erschien es Dir?" Ferdinand: "Einmal bin ich in den Klassenraum [Red.-Anmerkg: der Klasse 2b] reingegangen. Plötzlich habe ich etwas rascheln gehört. Ich habe überall nachgeguckt, aber ich habe nichts gesehen. Da habe ich in den alten Zeitungen nachgeguckt, und da war ein kleines Wesen. Es war der Buchstabenfresser."
Der Buchstabenfresser lebt sehr scheu und versteckt. Er hält sich besonders gern in unordentlich aufbewahrtem Schriftgut, unsortierten Fotosammlungen und Tischkästen auf. Gerne hat er es auch feucht und kühl in Kellern oder heiß und trocken auf Hausböden. Seine natürlichen Feinde sind Ordner, Fotoalben, Locher, Büroklammern sowie aufgeräumte Wohnzimmerschränke bei gleichbleibend papierfreundlichem Klima.
Wir danken unserem Ferdi, daß er sofort zum Pinsel griff und den Schädling endlich sichtbar machte. Somit kennen wir ihn und werden hinfort unsere schriftlichen Erinnerungen vor ihm schützen, künftig darauf achten, daß wichtige Papiere und Fotos nicht mehr an ihn verloren gehen. Wir werden unsere Dokumente ordnen und mit Datum versehen abheften, sinnlose Schnappschüsse gleich vernichten, um die wichtigen und schönen Abzüge um so besser aufzubewahren. Vor allem achten wir auf Bilder und Schriften der Kinder, damit auch nachkommende Generationen reichlich Material für derartige Familienzeitungen[2] finden.
Übrigens ist vor kurzem eine ganz heimtückische Mutation entdeckt worden, genannt Bf2, heimtückisch, weil diese Art nur virtuell auftritt und sogar dort, wo bekannte Buchstabenfresser schon ausgerottet wurden. Diese Mutation wohnt in Computern wie auch auf elektronischen Datenträgern und ist noch gefährlicher als ein Computervirus. Sie mag besonders unordentliche Verzeichnisstrukturen, aber auch gut gemachte Sicherheitskopien auf Disketten oder ähnlichem, verspeist alte Word-Dateien, Wordperfekt-Dokumente, Datenbanken in speziellen Formaten, überhaupt alle Dateien, die mit alten Programmversionen in besonderen Formaten erstellt wurden. Bf2 frißt sogar ganze Datenträger: Lochkarten, 5-1/4"-Disketten, 3- 1/4"-Disketten und neuerdings billige CD-ROMs. All die Informationen darauf fallen dem neuen Lettertilger anheim, so daß sie sich irgendwann nicht mehr ansehen noch gebrauchen lassen.
Wie ist diesem schlimmen Tier zu begegnen? Daran wird derzeit heftig geforscht. Es werden universelle Dateiformate entwickelt, es werden sogar Ausdrucke der Dateien angefertigt (die dann aber vor dem Papiervernichter zu schützen sind, siehe oben). Ziemlich beständig und immun vor beiden Arten erweisen sich in Stein gemeißelte Worte. Doch leider existiert immer noch das Buchstabenfresserfossil. Wie gut, daß man vieles gar nicht aufbewahren muß.
Kamindenken Sie drüber?
[1] Kontakt, siehe Impressum
[2] Gemeint sind Präsentationen über Familienforschungen, Hochzeitszeitungen usw.,